
Ein Kind mit Diabetes Typ 1 kommt neu in die Klasse. Viele Lehrer/innen fühlen sich bei diesem Gedanken nicht wohl und auch etwas überfordert. Eine Unterstützung des Kindes wird dann oft schon von vornherein verweigert. Gespräche mit Eltern, angebotene Diabetesschulungen werden komplett abgelehnt. Doch das müsste wirklich nicht sein. Ein Kind mit Diabetes in der Schule zu betreuen ist kein Hexenwerk und Lehrer werden immer auf die Hilfe der Eltern bauen können.
Und auch wenn Lehrkräfte die Hilfeleistung bei Kindern mit Diabetes ablehnen, so sollten sie sich dennoch im Vorfeld mit der Krankheit und ihren Besonderheiten auseinandersetzen. Kinder mit Diabetes müssen in ihrem Schulalltag so einiges beachten und sind dabei häufig auf das Verständnis ihrer Lehrkräfte angewiesen.
Ein paar wichtige Punkte zum Thema Diabetes bei Kindern im Schulalltag haben wir hier einmal zusammengetragen:
1. Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung
Es ist wichtig zu verstehen, dass es sich beim Typ1 Diabetes um eine Autoimmunerkrankung handelt. Typ 1 Diabetes wird nicht durch eine ungesunde Lebensweise und/oder ungesunden Essgewohnheiten hervorgerufen. Bei Menschen mit Diabetes Typ 1 greift das körpereigene Immunsystem die insulinproduzierenden Zellen an und die Bauchspeicheldrüse produziert im Laufe der Zeit kein lebensnotwendiges Insulin mehr. Der Blutzuckerspiegel kann mehr selbstständig im Körper geregelt werden. Aus diesem Grund müssen Menschen mit Diabetes Typ 1 von außen Insulin per Insulinpen oder -pumpe hinzugeben. Nach heutigem Stand der Medizin ist der Ausbruch der Krankheit nicht abwendbar.
2. Zuckerhaltige Snacks sind nicht tabu
Typ 1 Diabetes bedeutet nicht, dass die Kinder keinen Kuchen, Kekse oder andere besondere Leckereien essen dürfen. Es ist nicht nötig, dass Lehrer Kindern mit Diabetes diese Naschereien während des Schulalltags verweigern. Denken sie auch daran, was sie in diesem Moment bei dem Kind gefühlsmäßig auslösen. Mit etwas Vorplanung und Kommunikation mit den Eltern können Kinder mit Diabetes auch den mitgebrachten Geburtstagskuchen des Mitschülers essen wie allen anderen auch.
3. Unter- und Überzuckerungen erfordern sofortiges Handeln
Kinder mit Diabetes halten ihren Blutzucker unter Kontrolle, indem sie ihre Mahlzeiten mit Insulin abdecken. Jedoch kann es immer wieder mal vorkommen, das das Kind während des Unterrichts eine Unter- oder Überzuckerung bekommt. Die Gründe hierfür können vielfältig sein. Daher muss es dem Kind jederzeit möglich sein, seinen Blutzucker (auch während des Unterrichts) zu kontrollieren.
⇒ Unterzuckerungen (Hypoglykämie)
Bei einer Unterzuckerung müssen Kinder mit Diabetes Typ 1 umgehend zuckerhaltige Getränke oder Nahrungsmittel wie Traubenzucker, Gummibärchen zu sich nehmen, um der Unterzuckerung schnell entgegenwirken. Dies kann selbstverständlich auch während der Unterrichtszeit geschehen. Es muss den Kindern also jederzeit gestattet sein einer Unterzuckerung durch Essen oder Trinken entgegenzuwirken. In der Regel hat das Kind ausreichend „Notfall-BEs“ in seinem Ranzen oder seiner Notfallbox dabei. Möchte das Kind nicht seine Notfall-BEs zu sich nehmen, so kann dies ein Symptom der Unterzuckerung sein. Bitte unterstützen Sie in dieser Situation des Kind, indem Sie es beispielsweise „überreden“ seinen Saft zu trinken.
⇒ Überzuckerung (Hyperglykämie)
Bei einer Überzuckerung müssen Kinder mit Diabetes Typ 1 sich Insulin zur Korrektur und Stabilisierung des Blutzuckers mittels Insulinpen oder Insulinpumpe verabreichen. Kindern muss es deshalb jederzeit gestattet sein, dies auch während der Unterrichtszeit zu tun. Kinder müssen hierzu nicht auf die unhygienische Toilette geschickt werden. Dies gehört zu ihrem Leben und ist nichts wofür man sich schämen muss. Bitte nehmen Sie hier Rücksicht auf die Gefühle der Kinder.
Idealerweise besprechen Sie zu Beginn des Schuljahres alles Wichtige mit den betroffenen Eltern und halten die Details in einem sogenannten Therapieabsprachebogen fest. Eine entsprechende Datei zum Download finden Sie hier …
4. Hoher oder niedriger Blutzucker kann die Kognition und das Verhalten verändern
Ein zu hoher oder niedriger Blutzucker kann die Aufmerksamkeit und das Verhalten des Kindes verändern. Wenn eine Kind mit Diabetes plötzlich unkonzentriert und still wird und es vielleicht sogar eher motzig und aggressiv auf Ansprache reagiert, so heißt das nicht unbedingt, dass es sich für den Unterricht nicht interessiert. Diese Verhaltensänderung kann vor allem ein Hinweis auf eine mögliche Über- oder Unterzuckerung sein. Wenn Sie also ein untypisches Verhalten bei einem Kind feststellen bitten Sie es seine Blutzucker zu kontrollieren und entsprechend zu handeln. (siehe Punkt 3.)
Wie geschrieben, kann sich ein zu hoher oder niedriger Blutzucker auf die kognitiven Fähigkeiten des Kindes auswirken. Das Kind kann sich nicht mehr richtig konzentrieren, schreiben und es fällt ihm schwer alles richtig auf das Papier zu bringen. Geben Sie dem Kind in so einem Fall bitte etwas Nachschreibezeit. Sie können mit den Eltern auch über den sogenannten Nachteilsausgleich sprechen und alles zu Beginn des Schuljahres regeln.
5. Bewegung kann den Blutzucker senken
Kinder mit Diabetes können im selben Maße wie ihre Klassenkameraden am Sportunterricht teilnehmen. Allerding kann die vermehrte Bewegung zu einem niedrigen Blutzucker führen. Idealerweise bestimmt das Kind seinen aktuellen Blutzuckerwert direkt vor Beginn der Sportstunde. Es muss dem Kind aber auch während des Sportunterrichts möglich sein seinen Blutzucker zu kontrollieren. Bitte geben Sie dem Kind bei einer Unter- oder Überzuckerung jederzeit die Möglichkeit sich eine Auszeit zu nehmen. Daneben benötigt das Kind auch in der Turnhalle immer Zugriff auf seine Notfallbox um einer Unterzuckerung entgegenzuwirken. Sportlehrer sollten idealerweise immer etwas Traubenzucker in der Tasche haben.
Besprechen Sie zu Beginn des Schuljahres alles Wichtige mit den betroffenen Eltern und halten die Details in einem sogenannten Therapieabsprachebogen fest. Eine entsprechende Datei zum Download finden Sie hier …
6. Schulausflüge und Klassenfahrten sind kein Problem
Kinder mit Diabetes können an Schulausflügen, Wandertagen und auch an mehrtägigen Klassenfahrten ebenso teilnehmen wie ihre Mitschüler. Sie sollten nicht von diesen schulischen Aktivitäten ausgeschlossen werden. Jedoch sollten Sie Kindern mit Diabetes immer gestatten ein Handy bei sich zu tragen, auch wenn eigentlich Handyverbot herrscht. So können sie gemeinsam im Notfall oder bei Rückfragen schnell mit den Eltern Kontakt aufnehmen. Mit etwas Planung und unter Einbezug der Eltern im Vorfeld einer Klassenreise können auch Kinder mit Diabetes diese Zeit unbeschwert genießen.
7. Mitgefühl und Verständnis helfen beiden Seiten
Mit etwas Mitgefühl und Verständnis für die verschiedenen Situationen die während des Schulalltags auftreten können helfen beiden Seiten. Oftmals benötigen Kinder mit Typ 1 nur etwas Unterstützung. Ein kurzer Schulterblick beim Bedienen der Insulinppumpe, eine Erinnerung ans Blutzuckermessen oder einfach nur Verständnis, dass es sich gerade nicht wohl fühlt, rechen häufig als Hilfeleistung schon aus. Je sicherer und wohler ein Kind sich in der Schule fühlt, umso besser wird es sich auch um seine Diabetes-Therapie kümmern. Je mehr kleine Hilfeleistungen eine Lehrkraft gibt, umso sicherer wird sie sich im Umgang mit der Krankheit und ihren Besonderheiten fühlen.
Unterbinden Sie bitte auch Mobbingattacken der Mitschüler. Sprechen Sie mit der Klasse über die Krankheit und ihre Besonderheiten. Damit beispielsweise kein Neid entsteht, wenn das Kind während des Unterrichts Saft trinken oder Traubenzucker essen darf. Und wenn Sie Fragen haben sprechen Sie mit den Eltern. Viele Unsicherheiten können sich durch ein offenes Gespräch schnell in Luft auflösen.
➟ Empfehlung: Download Schulbroschüre
Weitere hilfreiche Informationen rund um den Schulalltag mit Diabetes finden Sie in der Schulbroschüre des AGPD. Hier können Sie diese Broschüre als PDF herunterladen.