Puberät, Diabetes und Bolus Demenz

Pubertät, Diabetes und Bolus Demenz

Unsere Tochter schlittert gerade so richtig in die Pubertät und hat dabei eine immer wieder kehrende Bolus Demenz entwickelt. Bolus Demenz? Nun, das ist meine ganz eigene Bezeichnung dafür, dass sie in der Schule immer häufiger vergisst für ihr Essen auch den entsprechenden Bolus über die Insulinpumpe abzugeben. Während der Schulzeit schlägt diese Bolus Demenz phasenweise immer wieder mal zu. Pausenbrot essen, aber dafür Bolus abgeben, ist an manchen Tagen einfach nicht drin. Es gibt Wochen, da klappt alles wunderbar und dann gibt es wieder die Wochen, da klappt gar nichts und die Bolus Demenz hat die Überhand gewonnen. Bis zur Pause sind ihre Blutzuckerwerte völlig in Ordnung. Beim Frühstück achten wir natürlich darauf, dass sie auch ihren Bolus richtig abgibt. Aber in den Schulpausen müssen wir uns auf sie verlassen. Und das klappt in letzter Zeit immer häufiger einfach nicht. Und die Blutzuckerwerte steigen nach der Pause kontinuierlich. Und der entsprechende Alarmton ihres Dexcom CGMs wird ignoriert und einfach weggedrückt, weil man jetzt gerade keine Zeit hat, wenigsten Korrekturbolus abzugeben.

Bolus, was ist das?

Wir versuchen im Moment so ziemlich alles, dass sich diese immer wiederkehrende Bolus Demenz wieder gibt. Doch irgendwie laufen die meisten unserer Bemühungen ins Leere und unsere Gespräche gehen zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Ich werde sogar kreativ und backe extra KE-freie Schoko-Muffins oder KE-freie Nuss-Riegel, doch auch das hilft immer nur für eine kurze Zeit und dann ist sie plötzlich wieder da, die Frage: Bolus, was ist das? Und er wird wieder „vergessen“.

Welche Gründe stecken dahinter?

Und ehrlich, dieses Verhalten nagt derzeit an mir. Ich möchte herausfinden, warum sie gerade in der Schule immer wieder diese Bolus Demenz entwickelt. Ich versuche durch Gespräche der Ursache auf den Grund zu gehen? Liegt es an der neuen Schulsituation? Wurde sie gemobbt oder gab es irgendwelchen doofen Sprüche? Hat sie zwischen Klassenraumwechsel und Pause einfach zu wenig Zeit? Doch all diese Fragen werden immer mit „nein“ beantwortet. Sie denkt einfach nicht dran oder hat es halt einfach vergessen.

Mehr Antworten bekomme ich dann nicht von ihr. Wir sind am überlegen, ob wir dieses Verhalten, diese Bolus Demenz in nächster Zeit einfach ignorieren sollen. Schließlich bekommt sie dadurch auch ziemlich viel Aufmerksamkeit, wenn auch im negativen Sinne. Doch ich weiß jetzt schon, dass ich dieses Ignorieren nicht lange aushalten werden, weil ich nicht möchte, dass sie so mit ihrer Gesundheit spielt. Auch in Hinblick auf die berühmt-berüchtigten Folgeerkrankungen, die ja auch irgendwie wie ein Damoklesschwert über uns schweben. Alles in allem bin ich derzeit mit dieser Situation in der Schule einfach unzufrieden. Denn ich weiß, dass sie es kann. Schließlich hat es die ersten vier Jahre in der Grundschule auch prima geklappt. Warum jetzt nicht mehr? Liegt es wirklich an den Irrungen und Wirrungen der ersten Pubertätsanzeichen?

Wir werden sie immer unterstützen, auch wenn ich vieles nicht nachvollziehen kann

Ich weiß noch ganz gut, dass der Beginn der Pubertät nicht immer einfach ist. Doch ich weiß nicht, wie es ist, wenn man neben dem ganzen Pubertätsdrubel auch noch eine chronische Krankheit wie Typ1 Diabetes im Gepäck hat. Und somit bleibt mir nur eines übrig. Ich kann ihr in dieser Zeit immer nur signalisieren, dass ich immer für sie da sein werde. Dass ich sie unterstützen werde, wo immer ich kann. Ich werde für sie immer ein offenes Ohr haben, wenn sie mit mir darüber sprechen möchte. Und ich weiß auch, dass sich diese Bolus Demenz genauso schnell wieder geben kann, wie sie gekommen ist. Und bis dahin, sind wir für sie da und vielleicht hilft ihr dabei auch der kommende Kids-Kurs, eine Zeit mit vielen anderen Diabetes Kids, die alle im selben Boot sitzen.

 

Kathy

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12 Antworten

  1. Jessica sagt:

    Hallo, ..

    Ich habe einen Sohn 12 der Diabetes 1 seit Oktober. Letzten Jahres hat.
    Ich bin seit dem Zuhause , und arbeite nicht. Weil wir gerade Nachts sehr oft hoch müssen , trotz gut eingestellter Basis .., die Sensoren schlagen immer Alarm obwohl nix los ist..ich hin am überlegen wieder mit dem Arbeiten anzufangen.. haben aber auch schon die ersten Ausflüge in das Bz Werte Chaos Pupertät Kennenlernen dürfen.. , und mein Sohn ist wie jeder Junge auch, gerne einfach nur Kind und vergisst gerne sich zu messen ,ect.. was das ich gehe wieder arbeiten mich wieder grübeln lässt …
    Wie seid ihr da ran gegangen ? Wie lange wie oft arbeitet ihr ??? Ich muss dazu sagen das wir keine Oma oder so zu Verfügung hätten, wir sind auf uns allein gestellt.. Ich würde mich über antworten freuen…

    • Kathy sagt:

      Hallo,
      wir haben dir eine e-mail geschrieben. Schau doch mal in dein Postfach.
      LG

    • Andrea sagt:

      Hallo Jessica,
      unser Sohn ist 11 Jahre alt, hat seit fast drei Jahren Diabetes. Ich habe ein halbes Jahr nach der Diagnose aufgehört zu arbeiten, da der Diabetes bei uns on top auf eine extrem stressige Zeit kam. Nach weiteren 1,5 Jahren hab ich wieder angefangen und arbeite jetzt 12-18 Stunden pro Woche. Das ist für mich genau richtig – geht aber auch nur, da mein Mann auch oft nachts aufsteht, sonst wäre ich nicht dazu in der Lage, tagsüber vernünftig zu denken 😉
      Liebe Grüße,
      Andrea

  2. Miki sagt:

    Hey interessanter Beitrag zum Thema Diabetes bei Kindern. Bin während meiner Recherche zum Blutzuckermessgerät drauf gestossen.

  3. Anke Gauderer7 sagt:

    Hello,
    ich mache auch gerade so eine Phase durch. Mein Sohn ist zwölf und er vergisst gerne zu kalibrieren oder auf Alarme auf der Pumpe zu reagieren. Er hofft immer noch, dass die Krankheit geheilt werden kann und er sich daher nicht so darum kümmern muss. Wenn dann die Erkenntnis kommt, das dies in der nächsten Zeit nicht passieren wird, fällt er in ein tiefes Loch . Habt ihr vielleicht einen Tipp, wie man Jugendliche seelisch wieder aufbaut?

    Vielen Dank und liebe Grüße Anke

    • Kathy sagt:

      Hallo,

      aus eigener Erfahrung weiß ich, dass unsere Kids (meine ist auch fast 12) gerade in einer sehr schwierigen Phase sind, die Ihnen und auch uns extrem viel abverlangt.
      Das einzige was ich Dir raten kann, ist ihr Euch mit anderen Betroffenen aus Eurer Umgebung vernetzt. Oder du meldest Deinen Sohn einmal zu einer speziellen Diabetes-Schulung für Jugendliche z.b. an der Diabetes KLinik in Bad Mergentheim an. Meine Tochter war dort erst im Frühjahr und war total begeistert. Hier hat er dann auch geschultes psycohlogisches Personal an seiner Seite, die ihm gerade beim Akzeptanzproblem sicherlich sehr gut helfen können.
      Leider kann ich Dir nicht mehr raten.
      Liebe Grüße und ganz viel Kraft für Dich und Deinen Sohn.
      Kathy

  4. Cordula sagt:

    Schönes Wort und so treffend: Bolus-Demenz **kicher**
    Unser Demenzpatient ist inzwischen 18 und auch er ist noch immer betroffen, vorzugsweise beim Frühstück zuhause (trotz gelegentlichen mütterlichen Nachfragens –> nächstes Stichwort: muttertaub).
    Ich habe mal irgendwo gelesen, dass MRT Bilder des Gehirns von Pubertieren sehr denen von Alzheimer Patienten ähneln, allerdings sind die Schäden bei den Pubertieren reversibel.
    Das erklärt doch einiges und somit warte ich noch immer auf den Tag der Spontanheilung.
    LG und Parole „Durchhalten“!

  5. maike sagt:

    Danke für den offenen und ehrlichen Bericht. Es tut mir gut zu lesen, das es bei anderen auch so ist. Das hilft etwas.

    LG
    Maike

  6. Sandra sagt:

    Hey! Ich hab jahrelang genau das gleich gehabt, meine Eltern hat es auf die Palme gebracht. Da steckt wirklich keine Absicht hinter, aber man hat einfach so viele andere Dinge im Kopf, da vergisst man wirklich Dinge wie messen und Boli abgeben. Die ständigen fragen meiner Mutter haben mich irgendwann wahnsinnig gemacht, von daher hilft nur aussitzen denke ich 😉 in ein paar Jahren wird es besser, aber jeder von uns muss seinen eigenen Weg finden, den Diabetes zu akzeptieren. Und ihr seit jetzt in der Phase, wo die Eltern immer mehr abgeben müssen, damit sie später selbst für sich Sorgen kann. Ich glaube diese Phase verläuft selten glatt, aber ist irgendwann abgeschlossen. Dann sind die Eltern aus der Therapie raus und bekommen nur am Rande noch mit, dass es ja den Diabetes gibt ;). Der Übergang war hart bei uns, aber mittlerweile vergisst meine Mama sogar manchmal, mir zu sagen wenn sie (aus Diätgründen) kekse ohne Zucker gebacken hat 😅 (Folge war ne Hypo meinerseits, da ich von normalen Keksen ausgegangen bin).

    • Kathy sagt:

      Hallo Sandra,

      danke für Deinen Kommentar und die SIcht auf Dich als betroffener Teenager 🙂 Ich finde es immer toll einmal etwas über die andere Seite zu lesen. Als Mutter denkt man manchmal, das die Kids das extra machen, um einen Herauszufordern. Eine schwierige Zeit in der wir uns alle finden und neu einsortieren müssen, was den Diabetes angeht. Aber ich bin zuversichtlich, das wir auch dies gut bewältigen werden.

      Danke.
      LG
      Kathy

      • Agnes sagt:

        Hallo zusammen,
        wie läuft es jetzt bei euren Kindern?
        Hat sich etwas geändert?
        Habt ihr ( Mütter ) etwas Verantwortung abgeben können?
        Mein Sohn wird im Jan.16. Diabetes hat er seitdem er 1,5 Jahre alt ist.
        Seit ca. 2 Jahren will er seinen Diabetes nicht akzeptieren. Er trifft sogar die Aussage „ es wird eh nichts besser, ich warte auf meinen Tod”
        Als Mama ist diese Aussage wie ein Dolch im Herzen.
        Natürlich bin ich die nervige und hacke immer nach ob die Werte passen, ob kalibriert würde, ist Insulin abgeben,….
        aber ich will nur das es ihm gut geht. Denn wenn die Werte hoch sind ist er sehr aggressiv und ein füllig anderer Mensch.
        Bitte um kurze Rückmeldung wie ihr da handelt.
        Liebe Grüße Agnes

        • Kathy sagt:

          Hallo Agnes,

          danke für deinen Kommentar. Erstmal tut es mir sehr leid zu hören, dass dein Sohn seinen Diabetes so gar nicht akzeptieren kann. Ich kann jetzt nur von meiner Tochter sprechen. Sie ist jetzt 12 und im Moment läuft es bei uns soweit ganz gut. Sie hadert zwar immer wieder mal mit ihrer Krankheit, doch im großen und ganzen hat sie sie doch akzeptiert. So auch ihre Aussage, als sie von einem Psychologen darauf angesprochen wurde. Ich kenne aber auch die Situationen, wenn man sich den Mund fusslig redet und das Kind so gar nicht handeln möchte. Die Aggressivität bei hohen Werten kenne ich leider auch. Ich denke es ist mit einem 16 Jährigem Diabetes Verweigerer noch etwas schwieriger als bei uns gerade so am Anfang der Pubertät. Habt ihr schon mal über einen speziellen Kids Kurs (für Jugendliche) in Bad Mergentheim nachgedacht. Meine Tochter war letztes Jahr dort und ihr hat es sehr gut gefallen und ich finde auch irgendwie in der Akzeptanz weitergebracht. Wenn du dich gerne näher austauschen möchtest, schreib mir doch einfach eine Email an kinder-mit-diabetes-typ1@web.de.
          LG
          Kathy

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