
Mama, Du nervst!
Habt Ihr auch schon mal diesen oder einen ähnlichen Satz von Euren Kinder gehört, wenn es um den Diabetes geht?
Mama, Du nervst!
Das ist der Lieblingssatz meiner Tochter, wenn ich es mal wieder mit meinem „Diabetes Kontroll-Management“ übertreibe.
„Diabetes-Kontroll-Management“ – dieser Name ist Programm. Ich ertappe mich immer öfters dabei, wie ich meine Tochter nach der Schule erstmal über die Blutzuckerwerte ausfrage und mich erst danach über ihren restlichen Schulalltag erkundige. Eigentlich sollte es ja umgekehrt sein. Nach jedem Besuch bei Freunden überprüfe ich die Daten aus dem Blutzuckermessgerät, hat sie gemessen und wenn ja welchen Wert hatte sie. Hat sie das Messen mal wieder vergessen?
Ich merke einfach immer wieder, wie ich in Situationen komme, in denen ich den Diabetes an erster Stelle setze, auch wenn er da nicht immer am richtigen Platz ist. Ich merke auch wie meine Tochter oftmals einfach keinen Bock hat, mit mir dann über diese Themen zu sprechen. Die Frage nach den Blutzuckerwerten beantwortet sie dann mit Sätzen wie: „Ich weiß nicht mehr, wahrscheinlich gut.“
Mama, Du nervst!
Wenn ich also diesen Satz von meiner Tochter zu hören bekommen, weiß ich, dass ich es gerade mit meinen Fragen zum Thema Diabetes übertreibe und mich besser etwas zurückhalten sollte.
Ich finde es aber auch überaus schwierig. Sie ist erst 7 Jahre alt. In dem Alter muss ich leider noch nerven. Ich finde, sie ist einfach noch zu jung, um ohne Kontrolle zu handeln. Sicher wird sich das ändern müssen, wenn sie älter ist. Als Jugendliche werde ich ihr dann wohl die nötigen Freiheiten und das nötige Vertrauen schenken müssen. Oh wird mir das schwerfallen, das kann ich jetzt schon sagen. Ist ja auch irgendwie ein schwieriger Weg, den wir da als Eltern zu gehen haben. Auf der einen Seite müssen wir ein wachsames Auge auf unsere Kinder haben, auf der anderen Seite müssen wir lernen sie in die Selbstständigkeit zu entlassen. Vor allem was das ganze Diabetes-Management angeht, müssen wir lernen loszulassen und unseren Kindern voll und ganz zu vertrauen. Schließlich sollen aus unseren Kindern mal verantwortungsbewusste Erwachsene werden, die ihr Leben mit der Krankheit perfekt meistern.
Oh je, da werde ich mich noch oft am Riemen reißen müssen, je älter meine Tochter wird.

Leonies Sicht auf mein Diabetes-Kontroll-Management / © Blog – kinder-mit-typ1-diabetes
Wie erleben Jugendliche die Kontrolle durch ihre Eltern?
Am Weltdiabetestag in Leipzig durfte ich Janina kennenlernen. Janina ist 21 Jahre alt und seit ihrem 2. Lebensjahr Typ1 Diabetikerin. Sie erzählt mir wie sie als Jugendliche das Engagement ihrer Eltern in Bezug auf das „Diabetes-Kontroll-Management“ erlebt hat und auch heute noch erlebt. Sie selbst hatte immer wieder schwierige Zeiten ihren Diabetes zu akzeptieren. Vor allem in der Pubertät war es sehr schwierig und sie hat viele Fehler gemacht. Aber jetzt steht sie mit beiden Beinen mitten im Leben und engagiert sich bei der Deutschen Diabetes Hilfe.
Janina hätte sich als Jugendliche von ihren Eltern mehr Vertrauen gewünscht. „Ich wurde ständig kontrolliert.“ Und „diese permanente Kontrolle war für mich extrem nervig“, so Janina weiter. Aber auch das nicht eingehen auf meine ganz persönlichen Therapiewünsche. „Ich wollte so gerne eine Insulinpumpe, aber meine Eltern waren dagegen.“. Und weiter erzählt Janina, „dass sie sehr lange fast keine Freiräume hatte.“ In der Grundschulzeit war ihr Leben nach der konventionellen Insulintherapie CT ausgerichtet. Ihr Essen war fertig abgewogen und jede Mahlzeit wurde einzeln verpackt. Sie hatte feste Essenszeiten die sie unbedingt einhalten musste. Das Insulin hat ihre Mutter ihr zu Hause gespritzt aber Bluzucker messen musste sie dann alleine. Ab der 5. Klasse wurde sie dann auf ICT (Intensivierte konventionelle Insulintherapie) umgestellt und sollte dann ganz plötzlich selber spritzen und messen und alles selbst entscheiden. Die Überforderung mit der neuen Situation führte dazu, „das ich ab der 6. oder 7 Klasse gar nicht mehr gemessen oder gespritzt habe. Ich wollte einfach nicht mehr, alle haben mich nur noch genervt. Mobbing durch die Mitschüler kam auch noch dazu, es war einfach alles viel zu viel.“ so Janina weiter. „Ab der 8. Klasse, nachdem ich in der Schule bewusstlos geworden bin und 14 Tage zur Neueinstellung im Krankenhaus verbracht habe, bin ich aufgewacht und habe mein Diabetes Management wieder in die Hand genommen. Ich habe die Schule gewechselt und nochmal komplett neu angefangen.“. Janina erzählt weiter, dass auch ihre Mutter sich ab diesem Zeitpunkt ändern musste. „Meine Mutter musste den Ärzten versprechen, mich nicht mehr so zu kontrollieren, sondern nur noch dann, wenn ich sie darum bitte mich zu unterstützen.“ „Richtig in die Selbstständigkeit hat mich meine Mutter aber noch nicht entlassen“, so Janina weiter. Sie fragt heute noch jeden Tag nach meinen Werten und motzt wenn meine Werte nicht passen. Und das, obwohl ich schon gar nicht mehr zu Hause wohne.“ Auf meine Frage, welche Tipps Janina uns Eltern im Umgang mit unseren Kindern und der Krankheit Typ 1 Diabetes geben kann, hat Janina wie folgt geantwortet: „Traut Euren Kindern etwas zu, den sie müssen damit umgehen. Fragt was sie wollen und auch wenn ihr denkt, des es nicht Funktioniert, besprecht es mit Ihnen. Nennt eure Bedenken, aber drückt Ihnen nicht eure Meinung und Ideen auf. „Trotz alledem wusste Janina aber auch immer, dass ihre Mutter für sie da war und da sein wird. „Sie war immer in meiner Nähe, so dass ich nie wirklich tief gefallen bin. Doch manchmal muss man Fallen, um die ganze Tragweite zu begreifen.“
In Janinas Geschichte erkenne ich mich als Mutter wieder. Als Mutter kann man manchmal einfach nicht aus seiner Haut. Ich will doch nur das Beste für mein Kind und übersehe dabei manchmal was wirklich das Beste für mein Kind ist. Auch wenn es mir nicht immer leicht fällt, ich muss noch viel dazu lernen. Ich arbeite hart daran, auch wenn es mir nicht immer gelingt und das „Diabetes-Kontroll-Management“ mal wieder die Oberhand gewinnt. Doch dann holt mich der Satz „Mama, Du nervst!“ wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.
Doch was tun, wenn es kein gemeinsames Miteinander mehr in der Diabetes Therapie gibt? Das haben wir für Euch hier zusammengefasst.
11 Antworten
[…] Kindermittyp1diabetes […]
Liebe Kathy,
ich kann dich sooo gut verstehen!!
Mein Sohn ist ja erst vier Jahre und ich/ wir managen noch alles rund um den Diabetes (BZ-messen kann er mittlerweile schon selbst :-)), aber mir wird auch ganz anders, wenn ich daran denke, dass ich irgendwann loslassen muss…von der Pubertät ganz zu schweigen…
Ich versuche dann an Beppo, den Straßenkehrer zu denken (Momo), der immer sagt: Man darf nie an die ganze Straße denken, sondern immer nur an das nächste Stück, das man kehren muss.
Es gelingt mir nicht immer, aber meistens hilft es doch irgendwie! 🙂
Liebe Grüße von einem kleinen Kontrollfreak (zumindest sagt mein Mann das oft ;-))
Hallo Ann-Kristin,
Du hast so recht mit deinem Beppo Zitat. Leider übersieht man oft die kleinen Abschnitte die man schon positiv hinter sich gebracht hat, weil man nur auf das große Ganze fixiert ist.
Ich bin ja auch so ein kleiner Kontrollfreak. Aber ich habe das Glück, dass ich schon sehr viele tolle junge Erwachsene Typ1 Diabetiker kennenlernen durfte. Das hat in vielen Dingen meine Sicht etwas „lockerer“ gemacht.
Ich arbeite an mir, aber ab und an wird das Kontrollmonster dann doch immer wieder mal zum Vorschein kommen. Ganz ohne, würde mir auch was fehlen 🙂
Es gilt das gesunde Mittelmaß zu finden. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir dass alle schaffen werden.
LG
Kathy
Hallo Ann-Kristin,
ich finde dieses Zitat so toll, dass hat mich heute gleich aufgebaut.
LG
Mandy
Das freut mich 🙂
Pubertät: Wenn Eltern anfangen, schwierig zu werden!!!!
Mir überkommt ein Schauer des Unwohlsein, wenn ich an die Pubertät denke. GsD haben wir bisschen noch ein paar Jahre 😉
Glaub ich dir kathy
Das Problem sind meistens die Eltern!
Trifft ziemlich genau zu, allerdings spiegelt der Satz „dass unsere Kinder als Erwachsene ihr Leben mit Diabetes PERFEKT meistern müssen…“ genau den Druck wieder. Perfektion kann nicht das Ziel sein, dass ist nämlich leider unrealistisch. Es wird immer auch mal wieder schlechte Phasen geben, und die gehören dazu. Aber dann dennoch ein lebenswertes Leben zu führen, dass ist das wichtige denke ich. lg!
Liebe Sandra,
Das Perfekt bedeutet für mich nicht das die Werte immer perfekt sein müssen, oder ähnliches. Ich mache auch nicht immer alles perfekt. Ich möchte nur das meine Tochter sich sehr gut mit ihrer Krankheit auskennt. Das sie weiß wie sie bei Ketone beispielsweise handeln muss. Und so weiter. Vielleicht war perfekt nicht das richtige Wort. 😉