Klassenfahrt von Simon, 10 Jahre – Teil 1: Aus der Sicht seiner LEHRERIN

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Simons Klassenfahrt-Trilogie: Diesmal aus Sicht seiner Lehrerin

Teil 1: Im Vorfeld

Schon ab dem 1. Schuljahr stellten mir die Eltern meiner Klasse die Frage, ob ich denn auch mit den Kindern auf Klassenfahrt gehen würde. Grundsätzlich bejahte ich dies, war es doch noch sooo lange hin bis in Klasse 4……. Wie es dann so ist: die Zeit vergeht wie im Flug, im 4. Schuljahr steht das Thema wieder auf dem Plan, und endlich war eine dreitätige Klassenfahrt in die Nähe von Warstein in trockenen Tüchern.

Natürlich ist es kein Pappenstiel, für so viele Kinder rund um die Uhr die Verantwortung zu tragen und sie alle heil und unversehrt und möglichst gut gelaunt wieder mit nach Hause zu bringen. Sämtliche Herausforderungen sollten gemeistert und Extrawünsche im Hinblick auf jedes einzelne Kind berücksichtigt werden. Kein Problem, die Fähigkeit zum Multitasking gehört ja irgendwie zum Berufsprofil dazu. Dieses Mal gab es jedoch auch für mich eine Premiere: Mit von der Partie war Simon, mein Diabetes-Kind. Bei ihm wurde erst im Laufe der Grundschulzeit der  Diabetes diagnostiziert. Von Anfang an ging er damit sehr souverän um und konnte selbstständig seinen Schulvormittag bewältigen. In meinem Pult lagert sein Vorrat an Traubenzucker und Schokoriegeln, und wir achten gemeinsam darauf, dass immer genug da ist. Simon misst und berechnet alleine, und lediglich manchmal kommt er während des Unterrichts zu mir und meint: „Mir ist komisch, ich mess mal…“ – Alles läuft super, aber eine Klassenfahrt ist ja nochmal eine ganz andere Baustelle. Auf Tagesausflügen begleitete ihn teilweise sein Vater. Und auf die Klassenfahrt?

Entgegen einigen „Horrorgeschichten“, dass Kinder wegen ihrer Diabetes-Erkrankung von so einer Fahrt sogar ausgeschlossen wurden, stand für mich nie das OB, sondern immer nur das WIE zur Debatte. Klar kommt Simon mit, keine Frage.

Im Vorfeld fragte ich vorsichtig bei den Eltern an, ob sie evtl. bereit wären, ihren Sohn zu begleiten. Immerhin wäre ich dann auf der sicheren Seite, sie kennen sich schließlich am besten damit aus und merken, wenn etwas nicht stimmt. Waren sie. Aber es ist natürlich cooler, wenn man Mama und Papa nicht im Schlepptau hat, kann ich ja verstehen. Im Stillen habe ich sogar daran gedacht zu fragen, ob Vegas mitkommen kann, sein Diabetes-Warnhund, denn meine absolute Horrorvorstellung war, dass Simon nachts unterzuckert und keiner es merkt. Und was ist, wenn ihm beim Spielen die Nadel rausrutscht? Wenn mit der Pumpe was nicht in Ordnung ist? Wenn die Werte plötzlich aus unerfindlichen Gründen in ungeahnte Höhen schießen oder in den Keller stürzen? All das geisterte mir durch den Kopf. Nach intensiven Gesprächen mit seiner Mutter einigten wir uns darauf, dass Simon allein mitfährt. Kurz vor der Klassenfahrt trafen wir uns noch einmal. Ich bekam eine perfekt gepackte Notfalltasche mit sämtlichen Reservematerialien und Hilfsmitteln, und wir sprachen noch einmal sämtliche Eventualitäten durch. Das trug dazu bei, dass ich relativ beruhigt war, dass es klappen würde mit Simon und mir. Bei der Vorbesprechung der Fahrt mit der gesamten Klasse wies ich dann noch einmal darauf hin, dass Simons Schokoriegel etc. als Medizin und nicht als Süßigkeit gelten und bitte niemand sie anrührt. Aber da es auch in der Klasse funktioniert und die Kinder eigentlich Bescheid wissen, war das keine große Sache.

Teil 2: UNTERWEGS

Gutes Wetter ist bei einer Klassenfahrt schon die halbe Miete. Da es der Wettergott äußerst gut mit uns meinte, verbrachte auch Simon jede mögliche Minute im Freien, stets ein Lächeln auf den Lippen und ein Grinsen im Gesicht. Ich wusste, dass er sich sehr auf die Fahrt gefreut hatte, und er genoss es in vollen Zügen.

Bei den Mahlzeiten kam seine mitgebrachte Waage kaum zum Einsatz, und auf meine vorsichtige Frage bei der ersten Mahlzeit, wie er denn nun seine BE berechnet habe, antwortete er ganz lässig: „2 EL Reis sind eine BE, ich hab erstmal genau 2 Löffel genommen“ Prima, klappt! Simon aß mit Begeisterung, schlenderte immer nochmal am Buffet vorbei und berechnete sicher seine Einheiten. Nach und nach reduzierte sich meine Fragerei auf ein „Hast du schon gemessen?“, „Kommst du klar?“ oder „Alles okay?“ , was er stets bejahte, meistens mit der passenden Begründung. Wieder ein Stein, der mir vom Herzen fiel.

Den abendlichen Wert über 100 hatten wir auch jedes Mal. Vor dem Schlafengehen prüfte ich noch einmal, ob seine Apfelsaftflasche am Bett ausreichend gefüllt war.  Einzige Mini-Verletzung: Kopf gestoßen an der Zimmerdecke, das Hochbett heißt ja nicht umsonst so.

Einmal hat er die Pumpe abgenommen, beim Bauen von Dämmen am Biberbach und beim Planschen im Wasser. In dieser Zeit habe ich sie für ihn verwahrt. Fast immer hat Simon an sein Equipment gedacht, lediglich einmal hat er das Messgerät liegen lassen, im Eifer des Gefechtes, als die Kinder nach einem Barfuß-Parcours durch ein Wassertretbecken wateten. Als sich alle zur nächsten Action-Station aufmachten, war er wieder ganz vorn dabei und hat nicht mehr daran gedacht. Ich habe es dann mitgenommen und ihm wiedergegeben.

Teil 3: FAZIT

Auf jeden Fall den Daumen hoch…..

Simon hatte drei Tage das Dauerlächeln im Gesicht, hat sich, soweit ich es beurteilen kann, wohl gefühlt und war stets begeistert und mit Feuereifer bei der Sache. Er kann stolz auf sich sein, dass er das allein gemeistert hat. Dass die Klassenfahrt mit ihm so entspannt ablief, lag zum einem an seiner Art, in seinem Alter so sicher und souverän mit seiner Krankheit umzugehen und zum anderen an  seiner Mutter, die es mir durch die perfekte Vorbereitung sehr erleichtert hat und mir einen großen Teil meiner Sorgen nehmen konnte.

Gast Autor
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