Interview mit Frau Prof. Dr. Kuhnle-Krahl – Kinderdiabetologin aus Gauting „Diabetes bei Kindern in Afrika“

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Wir bedanken uns sehr herzlich bei Frau Prof. Dr. Kuhnle-Krahl für die ausführliche Beantwortung unserer Fragen und den Einblick über die Diabetesbehandlung bei Kindern in Afrika und Lagos!

Diabetes bei Kindern ist – wie wir alle wissen – nicht gerade einfach zu handhaben. Wir müssen im Alltag auf sehr vieles achten damit unsere Kinder einigermaßen stabil sind. Es kommt nicht selten vor, da wird die Nacht zum Tag und das ständige auf und ab schlaucht uns sehr. Dennoch haben wir immer noch die Möglichkeit schnell in die Klinik zu fahren oder zum nächsten Arzt um die Ecke. Auch im Extremfall wäre der Notarzt innerhalb von Minuten da!

Mit unserem Interview wollen wir einmal den Blick nach Afrika richten! Wenn wir uns hier schon solche Sorgen um unsere Kinder machen, wie schlimm muss es für die Eltern sein, die nicht die Möglichkeiten haben sie so zu versorgen und zu betreuen, wie es die Krankheit einfordert?

KmT1D:  Wie kamen Sie dazu Kindern mit Typ1 Diabetes in Afrika zu helfen?

Fr. Prof.Dr. K-K:  Ich war immer an anderen Kulturen und an anderen Ländern interessiert. Ich habe mit meinem Mann und meinen beiden Kindern 5 Jahre in Malaysia gelebt und gearbeitet. Dort habe ich schon kennengelernt, wie in anderen Ländern und anderen Kulturen mit chronischen Erkrankungen umgegangen wird.

KmT1D:  Wie ist eine Diabetes-Therapie überhaupt möglich?

Fr. Prof.Dr. K-K: Für die Armen in den armen Ländern Afrikas ist eine Diabetes-Therapie nur ganz begrenzt möglich. 

KmT1D: Wie gehen die betroffenen Familien mit der Erkrankung um? Gibt es Fälle von Ausgrenzung und Diskriminierung innerhalb der Familien?

Fr. Prof.Dr. K-K: Es gibt nicht unbedingt Ausgrenzung, aber wenn die Familie schon kaum in der Lage ist das tägliche Brot für die Kinder aufzubringen, dann ist eine teure Therapie für ein einzelnes  Kind sehr schwierig.

KmT1D: Können die Kinder überhaupt regelmäßig ihren Blutzucker messen?

Fr. Prof.Dr. K-K:  Nein – können sie nicht, da ein BZ-Stäbchen auch in Afrika 50 Cent kostet, und die Familie oft nur 100 Euro im Monat verdient.

KmT1D: Wer finanziert den betroffenen Familien die Blutzuckermess-Streifen, Batterien, Insulin, Spritzen usw.?

Fr. Prof.Dr. K-K: Die Familien müssen alles selbst finanzieren, ein Krankenversicherung wie bei uns gibt es nicht. Wenn die Familie nicht in der Stadt wohnt, wird es fast unmöglich. Blutzuckermessstreifen, Batterien, Insulin, Spritzen usw. zu besorgen. In Lagos, an der Universität an der ich tätig war gibt es Meßgeräte und Meßstäbchen von „Insulin – for –life“ der Fa Lilly!

KmT1D: Wird der Hba1C bestimmt? Wenn ja, was sagt er überhaupt unter diesen Umständen aus?

Fr. Prof.Dr. K-K: An der Uni in Lagos derzeit ja, und er sagt schon etwas aus, ist aber häufig eben sehr hoch! 10 bis 14 % sind keine Seltenheit

KmT1D: Wenn Sie einen wünschenswerten Hba1C bei einem afrikanischen Kind und bei einem deutschen Kind nennen würden, wie wäre dieser?

Fr. Prof.Dr. K-K: Es gilt der gleiche Normwert wie bei einem deutschen Kleinkind, also zwischen 7,5 und 8,5%, das gilt auch in Afrika!

KmT1D: Wie ist die Lebensmittelsituation überhaupt vor Ort? Haben die Kinder genug zu Essen?

Fr. Prof.Dr. K-K: Nein, viele Kinder haben nicht genug zu essen! Oft gibt es nur Mais, Tapioka und Bohnen (Kohlehydrate) selten Fleisch.! D.h. viele Kinder haben oft Hunger, Kinder mit Diabetes leiden daher nicht selten unter dem sog. „Mauriac“ Syndrom, das sehen wir in Deutschland gar nicht mehr, das ist chronischer Eiweißmangel- und Kalorienmangel und Insulinmangel mit daraus resultierender chronischer Ketoazidose! Daraus resultiert eine Wachstumsstörung mit einem ausgeprägten Kleinwuchs, eine verspätete Pubertätsentwicklung und eine Leberfunktionsstörung! Diese Kinder sterben dann oft an harmlosen Erkrankungen, da ihre Immun-Abwehr sehr geschwächt ist.

KmT1D: Gibt es im Fall von Ketoazidosen überhaupt medizinische Möglichkeiten?

Fr. Prof.Dr. K-K: Häufig wird eine diabetische Neumanifestation mit Ketoazidose gar nicht erkannt! Die Kinder sterben dann ohne dass je die Diagnose Diabetes gestellt wird. Oder sie sterben im Krankenhaus in der Ketoazidose, da die intensiv-medizinische Versorgung fehlt oder schlecht ist. Elektrolyte und der pH können in vielen Krankenhäusern oft gar nicht oder nicht regelmäßig bestimmt werden. Außerdem müssen die Eltern diese Untersuchungen natürlich bezahlen, und dazu fehlt es oft an Geld.

KmT1D: Werden Notfallspritzen ausgehändigt?

Fr. Prof.Dr. K-K Notfallspritzen gibt es sind aber teuer! Die Patienten müssen alles selbst bezahlen, Krankenversicherungen gibt es eher keine, nur für die eher reichen Menschen!

KmT1D:  Insulinlagerung bei den betroffenen Kindern. Verfügen alle über eine Kühlmöglichkeit?

Fr. Prof.Dr. K-KKühlschränke gibt es auf dem Land oft nicht! Und wenn, dann gibt es keinen Strom! Oder der Strom fällt aus! Auch in Lagos fällt der Strom mehrfach sowohl am Tag als auch in der Nacht aus!

KmT1D: Wie hoch schätzen Sie die Sterberate aufgrund des Diabetes oder den daraus resultierenden Folgeschäden (Herzinfarkte etc) ?

Fr. Prof.Dr. K-K: Die Spätschäden sind immens! Häufig sind schon die jungen Erwachsenen erblindet und/oder brauchen eine Dialyse! D.h. die wirtschaftlichen Schäden für die Familie und die Bevölkerung sind sehr schwer zu tragen!

KmT1D: Wie denken Sie könnten die dortigen Missstände behoben werden?

Fr. Prof.Dr. K-K: Leider sind die zahlreichen Regierungen in Afrika korrupt und ineffizient! Nigeria ist sehr reich an Öl und Bodenschätzen! Aber bei der Bevölkerung kommt kaum etwas an. Zahlreiche Politiker geben nichts an die Bevölkerung weiter! Eigentlich hat das Nigeria alles, auch sehr gut ausgebildete Ärzte, die aber damit beschäftigt sind zu überleben, oder noch schlimmer auszuwandern und dann in den USA, England oder Europa die Diabeteskinder zu versorgen! Die meisten Ärzte, die ich getroffen habe leiden unter diesen schrecklichen politischen Umständen, aber….

KmT1D: Wie kann man von Deutschland aus Hilfsprojekte unterstützen – kommen diese Hilfe überhaupt an bzw. nutzen Sie etwas (Messgeräte, Teststreifen, Insulin) etc.

Fr. Prof.Dr. K-K: Ich denke die Arbeit, die geleistet wird ist gut! Auch das Projekt an dem ich gearbeitet habe, in dem Ärzte zu Spezialisten ausgebildet werden ist sehr gut! Wissen kann man nicht mehr wegnehmen! Aber wie gesagt, wichtiger ist, dass die politischen Umstände stabiler werden, damit die Menschen arbeiten können und Geld verdienen!

KmT1D:  Wie wirkst sich Ihre Arbeit in Afrika auf Ihre Arbeit hier in Deutschland aus?

Fr. Prof.Dr. K-KAls ich aus Nigeria zurückkam, dachte ich Deutschland-Europa ist ein Paradies! Wir haben beinahe alles, wir können unsere Kinder optimal behandeln, und trotzdem sind viele unzufrieden, und klagen über zu viel messen, zu viel spritzen, zu weit sei der Weg zum nächsten Spezialisten. Für viele Kinder in Nigeria wäre all das ein Segen – viele fahren mit Ihren Eltern die ganze Nacht um einen der wenigen Spezialisten, in der nächsten größeren Stadt zu konsultieren!

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  1. […] Wie ist in Afrika für Kinder mit Diabetes Typ 1? Lest hierzu unsere Interview mit Frau Prof. Dr. Kuhnle-Krahl. […]

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