Hilfe! … Pubertätsmonster im Kinderzimmer eingezogen!

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GASTBEITRAG von Christine A. – Ihr Beitrag zum Thema „Pubertät“

Also seit ungefähr 2 – 3 Jahren wohnt im Zimmer meiner Tochter auch so ein PM (= Pubertätsmonster!). Wobei das jetzt ein bisschen unfair von mir ist (aber ich bin ja angeblich als Eltern auch gerade schwierig!?), denn das „-Monster“ ist meist nur noch eine Wildkatze, bei der phasenweise auch schon die junge Frau zu erkennen ist, die es mal werden wird.

Pubertät ist immer schwierig – mit und ohne Diabetes. Aber Typ-1-PM neigen mitunter dazu, den Diabetes als Hauptkriegsschauplatz zu verwenden, weil sie sehr gut wissen, dass Eltern hier sofort reagieren und in zwei Sekunden da hinzubekommen sind, wo man sie haben will: Nämlich mit dem Hintern an die Decke! Auch wir hatten eine schwierige Phase. Leslie hat ihren Diabetes von Anfang an komplett angenommen. Sie fühlt sich allerdings auch kein bisschen krank und legt sehr, sehr großen Wert darauf, in keinster Weise anders zu sein oder anders behandelt zu werden als ihre Mitschüler.

Als sie 14 Jahre alt war, waren ihre Werte total durcheinander. Ich fand keinerlei Schema, wo ich hätte anpassen können. Auch unser Diabetologe war da ein wenig ratlos und schlug vor, einen Sensor für eine CGM bei unserer Krankenkasse zu beantragen. Vor unseren Ambulanzterminen lese ich dann immer auch aktuell die Pumpe aus und da fielen mir dann ganz merkwürdige Dinge auf … hmmm … 9.40 Uhr (große Pause) gemessen, 10.45 Uhr Bolus abgegeben. Ein Tag hatte plötzlich nur 3 Messungen, aber jede Menge Bolusabgaben …! Oh-oh … doch nicht meine Tochter? Das würde sie doch nicht tun? Nicht bolen? Frei Schnauze bolen? Den Diabetes gar verdrängen? Mich beschummeln? Und viel schlimmer: Sich beschummeln?

Also habe ich sie abends darauf angesprochen. Ich musste gar nicht viel sagen, denn sie war sofort sehr kleinlaut und voll des schlechten Gewissens. Bingo! Voll getroffen … und auch ich war wie vom Blitz getroffen. „Mama, du verstehst das nicht! Ich hatte halt einfach keinen Bock … DU weiß nicht wie das ist!“ Nein, ich verstand das nicht – und bin auch ziemlich ausgeflippt. Ich gebe mir so viel Mühe mit dieser doofen Basalrate, die immerzu geändert werden möchte! Ich schlage mir Nächte um die Ohren, wenn die Werte nicht stimmen und bin dann tagsüber müde! Ich suche nach Mustern in diesen dämlichen Werten, um diese irgendwie erklärbar zu machen. Und wozu? … damit das Fräulein Tochter dann mal eben „keinen Bock“ hat und macht wie und wann sie gerade lustig ist! Na bitte! Gerne,  dann aber künftig ohne mich!

Ich bin dann erst mal um den Block … abends … im Dunkeln, um mich abzureagieren. Als ich nach Hause kam, kam das Monster ganz kleinlaut und mit Tränen in den Augen die Treppe runter und entschuldigte sich. Wir haben lange drüber geredet, aber die Standpauke ihres Dia-Docs, die stand nun an. Da muss sie aber jetzt halt durch … dachte ich! Leider habe ich da die Rechnung ohne den Doc gemacht. Der kommentierte das recht kurz mit einem „Hattest´e keinen Bock mehr? Okay! Läuft´s jetzt wieder?“ und nach eifrigem Kopfnicken des Töchterleins war das Thema dann schon durch (Verräter!).

Seither ist das Kind irgendwie „erwachsen“ geworden. Es funktioniert alles prima. Ihrer Meinung nach mache ich mir oft einfach zu viele Gedanken. Sie ist davon überzeugt, alles im Griff zu haben und ich wünsche mir inständig, dass sie noch ganz lange keine gegenteilige Erfahrung machen muss. Auch die nächtliche Messung macht sie selbst, wenn nötig. Ich bin lediglich dafür zuständig, die Pumpe regelmäßig auszulesen und zu schauen, ob eine Anpassung der Basalrate nötig ist. Alles andere funktioniert wirklich gut (wenn man davon absieht, dass Katheter eigentlich nicht dafür gedacht sind auch mal 5 Tage zu liegen … aber solange die funktionieren! Überflüssige Wechsel sind absolut zu vermeiden …!). Ich bin froh, dass es jetzt – mitten in der Pubertät – so läuft, wie es läuft und nehme dann auch ab und an ein „Maaaaama …. schönes Wetter draußen!“ zähneknirschend hin, wenn ich ihrer Meinung nach mal wieder zu oft nach Werten gefragt habe.

Zu meiner Entspannung maßgeblich beigetragen hat aber auch ein Dozent, namens van Leur, ein gebürtiger Holländer, selbst seit vielen Jahren Diabetiker, nebenbei noch Psychologe und ein Mensch mit einem tollen Humor ist. Bei seinem Teenie-Workshop (alle anwesenden Teenager wurden übrigens von ihren Eltern gezwungen daran teilzunehmen!) macht der ganz klar: Die Ebenen müssen sich jetzt angleichen – man muss sich nun langsam auf Augenhöhe begegnen, die Teenies jetzt ernst und auch in die Verantwortung nehmen. Zauberformel: „Deal – or no Deal?“ … Du kümmerst dich um deinen Diabetes! Okay, dann darfst du auch mal bis um 2.00 Uhr mit deinen Freunden auf die Kirmes gehen … was mir natürlich sofort die Schweißperlen auf die Stirn getrieben hat … Äh, hallo? Jugendschutzgesetz? Aufsichtspflicht und sowas …! Da winkt der aber nur lachend ab und sagt: Trauen Sie ihr das doch zu. Die weiß Bescheid … und was ihr um 2.00 Uhr passieren kann, das kann ihr auch um 20.00 Uhr passieren. (Ich muss nicht erwähnen, dass diese Aussage natürlich ALLE anwesenden Teenager begeistert hat, oder?! Genau DAS sagen die ja schon immer!).

Letztlich ist es ganz einfach: Natürlich denken PM´s sie sind unsterblich, unverwundbar, haben den totalen Durchblick und sie verändern jetzt die Welt. Das ist völlig natürlich – die müssen so sein. Und wir müssen jetzt einfach verhandeln, ihnen etwas zutrauen und sie dann auch die Konsequenzen ihres Handelns tragen lassen … das ist die eigentliche Schwierigkeit; denn genau genommen, wollen wir sie ja nur vor Schaden bewahren. Aber hey, den Job können wir nicht lebenslang in der Konsequenz ausüben. Wesentlich ist miteinander zu reden und dann einen Nenner zu finden, mit dem alle gut leben können.

Wir dealen übrigens was das Zeug hält … aber bis 2.00 Uhr auf der Kirmes, das gab´s trotzdem nicht! Dafür Geburtstagsparty der Freundin bis um 1.00 Uhr incl. Mama-Taxi … das war doch ein guter Deal, oder?! 😉

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2 Antworten

  1. Sorry Christine satt Heike, meinte ich ;). Der Kommentar richtet sich an Christine

  2. Liebe Heike, ein wirklich toller Bericht und schön geschrieben. Versuche dir wirklich nicht zu viele Gedanken zu machen, ich weiß leichter gesagt als getan… Aber das macht es nicht besser. Im Gegenteil! Ich habe selbst mit 14 Jahren Diabetes bekommen und der neue Wegbegleiter und die extremen Sorgen und Ängste von Familie und Freunden haben mir es in der Pubertät nicht leicht gemacht. Hinzu kam, dass vor 18 Jahren noch andere “Regeln” galten. Kein Zucker, kein Sport,… Ich war zudem noch in einer altertümlichen Klinik. Habe diese mit einer Essstörung, Kontrollzwang und co verlassen… Letztendlich war nicht mehr der Diabetes das Problem. Ich habe mir später (in der Pubertät habe ich jegliche Hilfe abgelehnt) Hilfe geholt und das war auch gut so. Ich bin längst wieder ein lebensfroher, motivierter Mensch, der sich so schnell nicht unterkriegen lässt und vom Diabetes schon mal gar nicht. Tzzz… wär’ doch gelacht, wenn wir das Monster nicht zeigen, wos lang geht und wer der Chef ist, oder ;)?

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