
Zu unserem Phil gehört noch sein großer Bruder Ben. Ben ist 10 Jahre alt. Ihn hat die Diagnose genauso getroffen wie uns! Natürlich!
Alles ging so rasend schnell….. Wir kamen vom Kinderarzt nach Hause nur um ein paar Sachen zu packen. Ben ging an diesem Nachmittag zu einem Freund und eigentlich war da für ihn noch alles halb so wild. Erst nachdem klar war, dass wir mit Phil 2 Wochen stationär im Krankenhaus bleiben müssen und er bei Oma und Opa untergebracht war, wurde ihm das alles so bewusst. Es ist schwierig gewesen – sein Bruder war doch total gesund – er hat doch nur ein bisschen mehr getrunken!
Als er uns im Krankenhaus besucht hat und Phil gespritzt werden musste und anfangs fürchterlich geweint hat, war das für Ben sehr schlimm. Ich muss gestehen, dass ich in den ersten 2 Wochen kaum fähig war irgendetwas zu erfassen oder aufzufangen. Ich war völlig durch den Wind und habe ständig geweint. Sobald einer der Kinder in meiner Nähe war, musste ich stark sein. Natürlich habe ich wenn wir telefoniert haben gefragt wie es ihm geht – aber wie das so ist – bekommt man die Antwort „gut“.
Als wir wieder zu Hause waren war die erste Zeit ziemlich schwierig… Vielleicht ist schwierig nicht das richtige Wort, aber jeder hat sich wieder in der Familie seinen Platz gesucht. Ben war 2 Wochen bei den Großeltern mit viel Freiraum, mein Mann und ich rund um die Uhr mit Phil zusammen im Krankenhaus, selbst unser Hund war völlig desorientiert. Dann kommst du mit diesem fiesen Anhängsel Diabetes Typ 1 nach Hause und dein Alltag, der vorher ein ganz anderer war, soll plötzlich funktionieren?!
Jetzt war aber endlich auch richtig Zeit mich mit Ben zu unterhalten. Damit meine ich tiefere Gespräche – versuchen rauszufinden, wie geht’s ihm damit, wie empfindet er die Erkrankung, hat er vor etwas Angst! Wir haben ihn von Anfang an mit einbezogen. Wir haben ihm gesagt, was die Erkrankung bedeutet, ihm gezeigt wie man Blutzucker misst und als er bei Phil messen wollte haben wir ihn das auch übernehmen lassen.
Meine Jungs lieben sich genauso wie sie sich streiten – aber ich bemerkte bereits nach 2 Tagen, dass Ben sich seinem kleinen Bruder gegenüber überhaupt nicht mehr getraut hat ihn zurecht zu weisen oder sonst was – also wurde die beiden erstmal herzitiert! Ich sagte zu meinen beiden Jungs nur ein Satz: „In diesem Haus hat sich nichts geändert – wir müssen Phil Insulin spritzen – aber ansonsten bleibt hier alles wie immer“! Für Ben war das – glaube ich – wie ein Befreiungsschlag! Phil ist nicht AUS Zucker, er HAT Zucker! Ebenso war es für Phil dann klar: „Hey ich hab hier keine Sonderrolle“!
Natürlich gehört meine volle Aufmerksamkeit Phil, wenn ich spritzen oder heute eben bolen muss. Aber es ist ein kleinen bisschen Zeit, die genauso Ben bekommt – wenn er z.B. von der Schule erzählt.
Unsere abendlichen Gespräche, wenn ich auf seinem Bettrand sitze, decken alles (?? – aber zumindest vieles) auf. Gott sei Dank, gehört Ben zu der Sorte Jungs die reden (bis jetzt zumindest)! Er sagte zu mir: „Mama, ich hab Angst davor, dass es auf der Welt nicht genügend Insulin gibt, denn dann muss Phil sterben“! Das sind Gedanken, die sollten ein Geschwisterkind nicht umtreiben. Gut, dass ich wenigstens mit gutem Gewissen sagen konnte: „Ben, mach dir keine Sorgen, es wird immer genug Insulin geben, Phil muss und wird nicht sterben“.
Ich habe ihn auch gefragt: „Hast du das Gefühl, es hat sich für dich etwas geändert, seit Phil Diabetes hat?“ Als die Antwort kam, wir würden weniger Ausflüge machen… war ich irgendwie beruhigt! Es kam nicht: „Ja, ihr kümmert euch viel mehr um Phil“.
Wir, mein Mann und ich, habe auch immer wieder was alleine mit Ben unternommen um so auch nur für ihn da zu sein!
Wie es letztlich und wirklich in Bens Seele aussieht, weiß ich nicht. Bisher gibt es keine offensichtlichen Anzeichen – er ist immer noch super in der Schule, ausgeglichen und fröhlich!
Wir versuchen unser Bestes in jeder Hinsicht – beiden Jungs zu helfen mit der Situation klar zu kommen. Ich hoffe und wünsche mir so sehr, dass es uns gelingt!
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