
Depressionen…Burnout?!.. wer spricht schon gerne darüber! Das lässt einen schwach und hilflos aussehen. Ich kann aber nicht schwach und hilflos sein – denn ich habe Kinder die mich brauchen – einen Mann – einen Hund – ein Haus – meine Arbeit. Und irgendwann hat es mich dann doch kalt erwischt.
Manifestation am 10.08.2012 – es hat unsere Familie getroffen – ein Faustschlag mitten ins Gesicht – eine kalte Hand ums Herz. Mein Mann war ein großer Fels für mich – er gab mir unglaublichen Halt – er war genauso unglücklich wie ich aber er konnte damals mit der Situation schneller besser umgehen. 14 Tage Krankenhausaufenthalt – Schulungen – der Kopf raucht – die Ängste sind allgegenwärtig. Mein Mann arbeitete zu diesem Zeitpunkt noch im Schichtdienst als Polizeibeamter – ständig unterbesetzt musste er viele Zusatzschichten absolvieren und somit war ich oft auf mich alleine gestellt. Tagsüber ging es immer noch – nachts war die Angst größer. Nachts ist eh immer alles Schlimmer – der Husten, der Schnupfen, die Magen-Darm-Grippe – und jetzt Diabetes! Meine Gedanken kreisten sich pausenlos um die Erkrankung – wie wird es, wie wird es sein, wie ist es morgen, wie übermorgen und wie ist es in 10 Jahren. Diese Gedanken helfen einem überhaupt nicht – aber abstellen konnte ich sie auch nicht. Unsere Aufgabe als Eltern war es – Phil von unseren Befindlichkeiten nichts spüren zu lassen – für ihn einen normalen Alltag zu gestalten mit allem drum und dran. Phils großer Bruder hatte auch mit Ängsten zu kämpfen was die Erkrankung anging und so hatten wir alle Hände voll zu tun unsere zusätzlichen Aufgaben zu bewältigen.
In unserem Haushalt lebt eine Golden Retriever Hündin namens Evy. Sie war damals gerade 1 Jahr alt. Natürlich hörte ich von einem Diabetiker-Warnhund und natürlich wollte ich dass Evy ausgebildet wird. Also ging auch da ein paar Wochen nach Manifestation das Training los. Alles drehte sich um die Erkrankung.
Ich hatte unglaubliches Glück – mein Arbeitgeber hat mir einen Telearbeitsplatz eingerichtet und so konnte ich nun von zuhause aus arbeiten. Ich musste meinen Job nicht aufgeben. Ein Segen – so gesehen…
So war es also – mein Mann im Dienst, Hund in der Ausbildung – da musste natürlich auch geübt werden, berufstätig, die Jungs, Haushalt und Diabetes. Durch meine Arbeit von zuhause war ich 24 Stunden im „Epizentrum Diabetes“. Ich wollte alles perfekt haben und vor allem wollte ich alles sehr schnell – die beste Einstellung für mein Kind, den besten Diabetiker-Warnhund, den besten Alltag für alle von uns, immer auf dem aktuellen Stand was Medizin und Fortschritt angeht, neueste Meldung von Betroffenen. Bis ich nur noch funktionierte…
Und es ist tatsächlich so ausgedrückt. Ich funktionierte – aufstehen, Frühstück richten, Kinder fertig machen für Schule und Kindergarten, arbeiten, kochen, Haushalt, Vereinsgeschichten, Fahrdienst für die Kids, Hundetraining…. Ich denke ich hätte das alles noch weiter durchhalten können wäre da nicht der Schlafmangel gewesen. Durch die Nachtdienste meines Mannes hatte ich förmlich Angst so tief einzuschlafen, dass ich evtl. nicht mitbekommen würde, wenn Phil einen Unterzucker hat oder womöglich eine Spritze zu versäumen (damals hatten wir noch Pens). Das hat dazu geführt, dass ich nächtelang überhaupt nicht geschlafen habe oder nur so vor mich hin dämmerte.
Das hält man ein paar Wochen durch – und dann im Februar, fast 6 Monate nach Manifestation, ging es mir immer schlechter. Ich war ständig unendlich traurig, nichts aber auch gar nicht hat mich aufheitern können – manchmal habe ich gelacht – aber nie wirklich. Man fühlt sich einfach nur noch alleine mit allem. Alles viel mir unglaublich schwer. Aufstehen, Frühstück… Mittagessen kochen… alles was sonst kein Problem war wurde zur großen Herausforderung. Diese bleiernde Müdigkeit, dass man das Gefühl hat man schläft im Stehen ein und wenn man die Augen zumacht spielt sich ein Gedankenkarussel im Kopf ab, dass an Schlaf nicht zu denken ist. Mein Ärztin hat mich erstmal krankgeschrieben – leistungsfähig im Job? Daran war überhaupt nicht zu denken. Konzentrieren konnte ich mich auf nichts. Sie gab mir den gut gemeinten Rat „tun sie etwas für sich in der Zeit in der die Kinder aus dem Haus sind“ – nur was???? Ich war zu müde um überhaupt etwas zu tun. Viel zu niedergeschlagen. Sobald die Kinder morgens das Haus verließen – liefen mir ungefragt und ungebremst die Tränen übers Gesicht. Ein „Hallo Heike, wie geht’s“? hat mich zum heulen gebracht. Natürlich haben auch die Kinder bemerkt, dass es mir nicht gut ging. Meine Ärztin sagte damals, die Kinder dürfen schon auch merken, dass es Mama mal nicht gut geht – aber ein Dauerzustand kann das nicht sein – denn damit kann kein Kind umgehen. Die Eltern sind für die Kinder Stützpfeiler – sie orientieren sich an uns und klar – Mama geht’s mal nicht gut, aber morgen ist es wieder besser! Auf ärztlichen Rat habe ich dann ein Anti-Depressiva eingenommen. Natürlich dauert es auch eine Zeit bis es wirkt, aber letztlich war es die richtige Entscheidung. Ich habe aufgehört zu weinen – ich habe anfangen können den Alltag wieder besser zu bestreiten und konnte dann auch mal spazierengehen und spüren, dass es mir gut tat!
Als Phil im April 2013 dann die Insulimpumpe bekommen hat, hat sich bei mir ein riesen Knoten gelöst. Mit Unterstützung der Antidepressiva und der Insulinpumpe hat sich bei mir sehr viel getan. Kurz nach der Pumpeneinstellung ging ich mit Phil in Reha. Wir waren in Bad Kösen und dort habe ich nochmal viel gelernt, viel für mich rausgezogen, viel Kraft geschöpft. Mein Schlafproblem hat sich leider nicht gelöst – das sollte wohl noch einige Zeit andauern.
Die Tabletten konnte ich nach einiger Zeit wieder absetzen. Im August – 1 Jahr Diabetes – ging es mir gut. Meine Ängste hatte ich besser im Griff und ich wusste, dass ich genug weiß um die Erkrankung im Griff zu haben – das gab mir Zuversicht und Mut.
Seit letztem Jahr hatte ich keine Depression mehr – mal einen schlechten Tag – aber den hat ja jeder mal!
Seit Januar ist mein Mann nicht mehr im Schichtdienst – Tagesdienst – Juhuuuu! Er ist nachts zuhause! Dadurch hat sich für mich viel geändert! Mein Schlafproblem ist jetzt irgendwie chronisch – aber ich arbeite daran!
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4 Antworten
Ihr Lieben! Es tut gut zu lesen, dass man nicht alleine mit seiner Angst und seiner Traurigkeit ist – lasst uns alle zusammen halten – und – lasst uns allen Menschen auf dieser Welt sagen, unsere Kinder brauchen uns und euch!!! Schaut nicht weg – helft mit, die Krankheit zu erforschen und das Leben mit ihr zu erleichtern! Zusammen sind wir stark! Eure Claudia.
Hallo Heike!
Wenn ich deinen Beitrag und die Kommentare lese habe ich einen Kloß im Hals.
Meine Tochter hat jetzt seit knapp 5 Monaten Diabetes und ich habe so oft das Gefühl einfach nicht mehr zu können, leider verstehen, dass die anderen nicht unbedingt. Zur Zeit spritzen wir noch und grob überschlagen, klaut mir der Diabetes mit allem drum herum 2 Stunden meines Tages, natürlich auch Malins Tages. Das ist sehr anstrengend da so oft viel zu wenig Zeit für schönes bleibt. Auch leidet natürlich unser Verhältnis unter den vielen Dingen, die man jetzt muss. „Du willst ja nur dass ich was esse, damit du mich dann spritzen kannst…“ ist nur einer von den vielen Sätzen, die mein sonst so süßer Fratz dann von sich gibt und die echt in Mark treffen.
Dazu kommt dann die Angst vor all den Dingen, die wir noch nicht wissen, die noch kommen können, vor dem was noch sein wird. Ich bin Kinderphysiotherapeutin und habe dadurch ein bißchen mehr medizinischen Wissen als der Rest der Familie und kann deswegen die Dinge nicht so unbeschwert sehen. „Chill mal ,Mama!“ (meine genervte Große) bringt mich da nicht weiter.
Und dann denke ich da immer wieder, dass es mir doch gar nicht so mies gehen darf/kann, schließlich bin ich doch gar nicht selbst betroffen, aber manchmal nehme ich es viel schwerer…
Aber zu wissen, dass es nicht nur mir so geht, tut schon gut!
Deshalb ein großes Dankeschön an euren Blog!
Claudia
Hallo Heike,
ich habe immer noch einen Klos im Hals und Tränen in den Augen!
Vielen Dank für diesen tiefen Einblick!
Ich glaube, es ergeht ganz vielen ähnlich und Du sprichst somit sehr vielen, auch mir, aus der Seele!!!
Meine Maus hat seit nun 8Monaten Diabetes. Eigentl. kommen wir ganz gut damit zurecht. Mein Mann und ich können sehr gut mit Zahlen umgehen und so fällt es uns nicht so schwer Dinge wie KEs, Basalrate oder Faktoren zu berechnen und anzupassen. Zudem ist mein Männe RettAss, wodurch ich vielleicht etwas mehr als andere informiert und dadurch beruhigter bin.
Auch im KiGa läuft es prima.
Dennoch erging es auch mir Anfang des Jahres ähnlich.
Andauernde Schwankende Werte, damit verbunden Schlafmangel (auch mein Mann arbeitet im Schichtdienst), Job, Haushalt und dann kam der Super-Gau: Familien-Magendarm-Grippe. Ich muss dazu sagen, unsere Eltern wohnen nicht gleich nebenan und so haben wir niemanden, der uns in solchen Situationen unterstützen kann.Mein Mann und meine
Tochter hatten es zuerst. Dann bekam es meine Maus (erste Magen-Darm mit DM), was schließlich mit Hungerketonen im Krankenhaus endete, wo es mich schließlich auch noch erwischte. Das riss mich so runter, dass ich einfach nicht mehr konnte. Bei unserer Diabetologin brach ich schließlich in Tränen aus.
Auch sie fragte gleich nach meinem Job. Eine Krankschreibung lehnte ich jedoch ab, weil meine 4 Stunden im Job die einzige Zeit am Tag waren, in der ich mal nicht ständig an den Diabetes meines Sohnes denken musste.
Glücklicherweise hatten wir kurz daraufhin Urlaub, in dem wir auch weg fuhren. Kein Haushalt und meine Schwiegereltern waren mit, so dass mein Mann und ich endlich wieder etwas Kräfte tanken konnten. Heute geht es uns ganz gut. Momentan ist da aber auch wieder “nur” der DM. Ich habe keine Ahnung, wie es laufen wird, wenn wieder mehrere Faktoren zusammen kommen? Ich gehöre zu dem Typ Mama, der sich für alles verantwortlich fühlt und ungern Hilfe von Außen annimmt. Aber ich glaube, ich werde dann lernen müssen über meinen Schatten zu springen!
Beim Lesen bekomme ich eine Gänsehaut….
Genauso war es bei mir auch.
Zwar waren es bei mir keine Depressionen, “nur” 2 Nervenzusammenbruch, aber dieses Gefühl nur noch weinen zu können und sonst nicht mehr zu fühlen…
Ein schreckliches Gefühl.
Gut,dass Du da wieder raus bist…und Du machst sooooo viel, Diabetes, Be’s, Pumpe, Diabetikerwarnhund, dieser Blog, Diabetesnanny……. Hut ab!