
Manchmal blicke ich neidisch auf andere Familien. Auf Familien mit gesunden Kindern. Dabei bin ich nicht neidisch auf die Gesundheit ihrer Kinder. Doch ein klein wenig schon. Als Mutter fragt man sich ja immer wieder mal: „Warum mein Kind?“ Ist es nicht so? Kurz nach der Diagnose habe ich aber beschlossen, mich nicht mit dieser Frage zu quälen, auf die ich wohl auch nie eine Antwort bekommen werden. Also schnell wieder weg mit diesen negativen Gedanken.
Nein, manchmal bin ich einfach ein wenig neidisch auf das unbeschwerte, unbekümmerte Leben das diese Familien mit ihren Kindern führen können. Ich vermisse manchmal genau diese Unbeschwertheit. Sich nicht über jede Kleinigkeit einen Kopf machen zu müssen. Sein Kind einfach frei sein lassen, ohne die Regeln die die Diabetes Typ 1 Erkrankung nun mal so mit sich bringt.
Wie gerne würde ich Leonie einfach mal drauf los naschen lassen, einfach, weil sie gerade Lust dazu hat, ohne vorher ihren Blutzucker zu kontrollieren. Und wenn er nicht passt, dann heißt es mal wieder warten. Wie gerne würde ich Leonie einfach auf einem Kindergeburtstag bringen, ohne vorher eine ganze Checkliste abgearbeitet zu haben. Wie andere Mütter, einfach abgeben und die freie Zeit genießen. Ich versuche es immer wieder, doch da sind leider oft die Tage an denen mir das so nicht gelingt. Denn Loslassen im Kopf fällt mir manchmal richtig schwer. Und Schwupps, bin ich wieder ein klein wenig neidisch auf all die anderen Mütter, die das einfach so machen können.
Mal wieder eine Situation, die es mir bewusst machte …
Bewusst ist mir das wieder geworden, als ich unsere gemeinsame Mama-Tochter Reise nach Berlin zur Redaktionskonferenz der Blood-Sugar-Lounge geplant habe. Einfach mal schnell Koffer packen, Bahnticket einstecken und los geht’s. Schön wenn es für mich so einfach wäre. Gerade, weil ich alleine mit meiner Tochter unterwegs war, habe ich mich noch mehr unter Druck gesetzt, dass ich ja alles was sie für ihre Diabetes Erkrankung benötigt auch eingepackt habe. Vielleicht lacht ihr mich jetzt aus, aber ich hatte für 2 Nächte Berlin insgesamt 10 Katheter, 1 Flasche Insulin unsere Ersatz-Insulinpumpe, und so einiges mehr dabei. Und obwohl ich zuhause mindestens 10x im Koffer überprüft habe, das ich auch ja nichts vergessen habe, bin ich doch mit einem mulmigen Gefühl in den Zug (6 Stunden Fahrt) gestiegen. Und als ich die anderen reisenden Eltern so beobachtet habe, ist mir aufgefallen, dass ich sie genau in diesem Augenblick um ihre Unbeschwertheit beneidet habe.
Und dann sind sie manchmal da, die Momente, an denen ich gerne aus diesem Diabetes Hamsterrad ausbrechen möchte. Einfach mal unbeschwert, unbekümmert etwas mit meiner Tochter unternehmen, ohne einen Gedanken an den Diabetes zu verschwenden. So wie andere Mütter auch. Und dieses Gefühl stimmt mich dann immer etwas melancholisch.
Für viele Familien ist die Gesundheit ihrer Kinder selbstverständlich. Das war es bei uns vor der Diagnose Diabetes Typ 1 wahrscheinlich auch. Man lernt ja immer erst dann etwas richtig zu schätzen, wenn es nicht mehr da ist. Das habe ich in den letzten Jahren gelernt. Und doch Jammer ich nicht, denn ich habe auch in den letzten Jahren gelernt die Krankheit zu akzeptieren. Nur manchmal bin ich einfach ein klein wenig neidisch, auf das unbeschwerte, unbekümmerte Familienleben ohne Diabetes.
12 Antworten
Ich kann Dein Gefühl so gut nachvollziehen. Ich glaube, Eltern mit chronisch kranken Kindern sind da alle in der gleichen Situation. Am schlimmsten fand ich es früher auf Spielplätzen….überall die gesunden Kinder. Da fiel mir der Unterschied zu unserer Tochter ganz schlimm auf. An manchen Tagen ist es schwierig da immer optimistisch zu bleiben. Aber man lernt immer besser mit der Situation umzugehen.
Ganz liebe Grüße,
Isabelle
Hallo Isabelle,
vielen Dank für Deinen Kommentar. Mir hilft es sehr viel, zu lesen, dass es nicht nur mir so geht.
Gruß
Kathy
Zusammenhalt macht stark :).
[…] Kinder mit Typ 1 Diabetes […]
Hallo liebe Kathy, ich finde deinen Beitrag sehr zutreffend beschrieben und freue mich über deine Offenheit was den „Neid“ angeht, der ja einfach auf die Situation der Unbeschwertheit und „Einfachheit“ des Lebens mit seinem gesunden Kind zurück zuführen ist. Und wenn ich Beiträge wie deinen lese fühle ich mich nicht mehr so alleine mit meinen Ängsten was mein Kind betrifft und meinen Gedanken über den „doofen“ Diabetes. Mein Sohn ist jetzt 4 Jahre und hat jetzt ebenfalls seit fast 2 Jahren Diabetes. Ich beschäftige mich nun mit der Frage auf welche Schule kann ich mein Kind schicken, sind die Lehrer bereit mit auf den Diabetes meine Sohnes zu achten um im Notfall entsprechend zu reagieren oder muß ein Pflegedienst her, mit dem ich bereits jedoch keine guten Erfahrungen gemacht habe im Kindergarten. Denn zur Zeit muss ich über den ganzen Tag des öfteren zum Kindergarten um meinen Sohn zu messen und Insulin für die Mahlzeiten abzugeben, da der Kindergarten sich nicht in der Lage sieht diese Aufgabe zu bewältigen, da es ihnen zu aufwendig ist und sie sich um noch zu viele andere Kinder kümmern müssen. Das erschwert mir den Alltag erheblich da ich in dieser Zeit keine Termine wahrnehmen kann die mit etwas längeren Wartezeiten verbunden sind oder es deshalb vorerst auch nicht möglich ist meine Arbeit weiterhin auszuüben. Ich habe oft Tage an denen ich etwas deprimiert bin und mich Frage, wie wird die Zukunft meines Kindes aussehen? Wie wird es in der Pupertät, wenn sie die „kein Bock“-Phase bekommen oder werden definitiv Folgeschäden auftreten, egal wie man sich bemüht den Blutzuckerwert konstant zu halten, was ohne hin nur schwer möglich ist, zumindest in diesem Alter? Deshalb finde ich auch, wir dürfen ruhig mal jammern und Weinen, denn daraus schöpfen wir meist neue Kraft um weiterhin den Diabetes unserer Kleinen gut Managen zu können.
Ganz liebe Grüße und vielen Dank für deinen Beitrag der meine Gefühle ebenfalls zum Ausdruck bringt.
Liebe Kathy,
dein Beitrag spricht mir so aus dem Herzen. Jeder einzelne Satz. Dieses Gefühl der Freiheit und Unbeschwertheit, das fehlt mir auch so oft….einfach mal loslassen können, ohne sich Gedanken machen zu müssen…..
Und mich überkommen auch oft solche Gedanken, wie einfach das doch alles wäre, wenn man diese Krankheit nicht ständig im Gepäck hat…..jeden Sommer bin ich neidisch auf die Eltern, die ihre Kinder beim Baden einfach rumtoben und essen lassen können, ohne sich irgendwelche Gedanken zu machen…..ständig mitzudenken, immer erreichbar zu sein, das ist einfach anstrengend……
Vielen Dank für deinen Beitrag!
Liebe Grüße
Hallo Ann-Kristin,
vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich war mir am Anfang nicht sicher, ob ich über diese Gefühle so offen schreiben soll. Doch die vielen Kommentare (auch auf Facebook) und Emails haben mir gezeigt, dass ich nicht alleine mit diesen Gefühlen bin. Erst gestern hatten wir wieder so eine Situation, die ohne Diabetes einfach viel unbeschwerter (v.a. für mich) gewesen wäre. Leonie wollte alleine mit ihrer Freundin ins Kino. Und natürlich auch Popcorn essen. Wir haben ihr dann die KE für das Popcorn über den verzögerten Bolus der Insulinpumpe „abgegeben“. Doch ich hatte schon Sorge, was ist, wenn ihr der Becher auf den Boden fällt und sie sich nicht traut einen neuen Becher zu holen? Das Insulin wird ja weiter von der Pumpe abgegeben. Und ob sie dann daran denkt, den verzögerten Bolus abzubrechen, konnte ich auch nicht sagen. Also saß ich mal wieder zu Hause und habe mir so meine Gedanken gemacht. Aber das gehört wohl bei uns einfach dazu. Nochmal Danke für Deinen ehrlichen Kommentar.
Kathy
Hallo Kathy,
danke für den Beitrag. Ich bin zwar nicht direkt neidisch auf andere und ihre Unbeschwertheit (naja, vielleicht manchmal doch), sondern oft einfach traurig, dass mein Kind (und auch wir) soviel durchmachen muss und sein ganzes Leben mit dem Diabetes leben muss und dass es ja doch jeden Tag Einschränkungen haben wird und man den Diabetes nicht einen einzigen Tag mal vergessen kann. Auch wenn wir schon seit 1,5 Jahren dabei sind, trauere ich manchmal doch noch sehr.
Alles Gute für Euch.
LG Kerstin (Mama eines fast 7jährigen)
Hallo Kerstin,
auch Dir vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich wusste nicht, ob neidisch das richtige Wort ist, für dieses Gefühl. Aber, mir ist einfach kein treffender Begriff eingefallen. Ich kann sagen, dass wir die Krankheit im Großen und Ganzen akzeptiert haben und doch eigentlich ganz gut mit Ihr Leben. Doch da sind einfach ab und zu die Tage, da gibt es einen Stich ins Herz, wenn man an die Einschränkungen und Regeln denkt. Alles Gute auch für Euch. LG Kathy
Hallo Kathy,
ich kann Dich total verstehen. Der Sohn meines Mannes hat Typ1-Diabetes und somit müssen wir uns ja „nur“ an jedem zweiten Wochenende (und in den Ferien) amit beschäftigen, aber genau das ist manchmal auch das Problem. So waren wir z.B. mal auf der Freilichtbühne. Kissen, was zu trinken, Messgerät usw. war eingepackt. Aber wir haben natürlich nicht geschaut, ob noch Traubenzucker in der Tasche war. War es natürlich nicht und kurz nach Vorstellungsbeginn sank der BZ. Glücklicherweise hatte ich noch einen Lolli in der Tasche. Aber sowas ist halt schon öfters passiert. Und dann kommen halt die Gedanken: Es könnte alles so einfach sein.
Oder im letzten Jahr gab es öfters die Situation, dass wir den Kleinen zu Oma gegeben haben, da wir Termine hatten und die beiden sich auch immer freuen, wenn sie etwas Zeit zusammen haben. Leider bekamen wir regelmäßig den Anruf, dass der Zucker verrückt spielt und was nun zu tun wäre oder dass der Katheter raus ist etc. Und da gibt es noch tausend weitere Beispiele… Und, wie gesagt, bei uns ist nur jedes zweite Wochenende. Ich bewundere also alle „Vollzeiteltern“!!!
LG Stephi
Liebe Kathy,
ich finde unter uns dürfen wir Eltern von noch relativ kleinen Kindern mit Diabetes chon mal ein bisschen jammern. Denn dieses staendige in Alarmbereitschaft sein, z.B um das Kind ans messen zu erinnern, um alle notwendigen Dinge wie z.B Traubenzucker, bei sich zu haben, wenn man das Haus verlässt, und das Gefuehl, nie etwas vergessen zu duerfen, da dies im schlimmsten Fall lebensbedrohlich fuers Kind sein kann, einfach sehr Kräfte zehrend ist. Das versteht nur jemand, der dies täglich selbst erlebt , ansonsten niemand, nicht einmal Eltern, deren Kinder erst im Alter von 10 oder aelter die Diagnose erhalten haben!!!
Deshalb vielen Dank für dein bisschen Jammern, das mir erlaubt im Stillen kurz Mitzujammern, um danach frei nach Angie zu sagen: Wir schaffen das!
L.G.
Sabine
(Mama eines 8jaehrigen,der seit 5 Jahren Diabetes hat.)
Hallo Sabine,
vielen Dank für Deinen lieben Kommentar. Und vielen Dank für Dein „Mitjammern“, wenn ich das so sagen darf. Ich finde, wir Mütter sollten auch mal Jammern dürfen, wenn uns danach ist. Ohne das das gleich negativ bewertet wird. Denn auch wenn wir mal Jammern, wir stehen keine 5 Minuten später wieder mit aller Kraft hinter unseren Kindern und unterstützen diese so gut wir können. Das zerrt an unsere Kräften und meine Erfahrung zeigt, dass können nur die Mütter verstehen, die im gleichen Boot sitzen.
Und Ja „WIR schaffen das!“
LG.
Kathy