
Meine Tochter bekam im Alter von 5 Jahren die Diagnose Diabetes Typ 1. Seitdem begleitet uns der Diabetes jeden Tag und ja auch jede Nacht. Je älter sie wird, umso mehr wird sie sich um ihren Begleiter selbst kümmern können. Doch solange unsere Kinder noch klein sind, ist es unsere Aufgabe als Eltern sich um die Krankheit und ihre Gegebenheiten bestmöglich zu kümmern. Deshalb ist der Diabetes unserer Kinder auch irgendwie unser Diabetes.
Für manche Erwachsene Typ 1 Diabetiker ist das nicht zu verstehen. Sie meinen, wir Eltern würden uns damit nur in den Mittelpunkt stellen wollen. Schließlich könnten wir nicht wirklich nachfühlen, wie sich das Leben mit der Krankheit wirklich anfühlt.
Ja das mag so schon richtig sein, aber ich erlebe die Krankheit jeden Tag und jede Nacht auf meine ganz persönliche Weise als Mama und auch ich musste lernen damit umzugehen.
Ich weiß nicht wie …, aber …
Ja, ich weiß nicht, wie sich ein Unterzucker anfühlt. Wie es ist am ganzen Körper zu zittern und sich dabei vielleicht sogar orientierungslos zu fühlen.
Aber ich weiß, wie es sich für mich als Mutter anfühlt, wenn ich schnellstmöglichst mein Kind mit Hypohelfer versorge oder wenn ich es in den Arm nehme und ihm immer wieder sage, dass es ihm wieder besser wird.
Ja, ich weiß nicht, wie es sich anfühlt wenn der Blutzucker viel zu hoch ist. Wenn man dabei vielleicht Kopfschmerzen hat und sich einfach nur schlecht fühlt.
Aber ich weiß, wie es sich für mich als Mutter anfühlt, mein Kind in diesem schlechten Zustand zu unterstützen. Wenn wir die Ketone überprüfen und das Korrekturinsulin entsprechend anpassen. Wie Detektive gehen wir vor, um die Ursache dieser Hyperglykämie zu suchen und zu beheben. Immer mit der unterschwelligen Angst, das wir es alleine nicht mehr schaffen können.
Ja, ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, wenn man aus der Nacht mit schlechten Blutzuckerwerten erwacht oder man eine Hypo in der Nacht hatte.
Aber ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man 2 oder 3 mal in der Nacht vom Wecker (oder CGM Sensor) geweckt wurde, um den Blutzucker des Kindes zu kontrollieren. Ich weiß wie es sich anfühlt ein schlafendes Kind zu wecken, um es mit Hypohelfer zu versorgen und danach nicht mehr schlafen zu können. Ich weiß wie gerädert man sich den ganzen Tag nach so einer Nacht fühlt und nur noch ganz viel Kaffee helfen kann.
Ja, ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, sich ständig (bis zu 8x am Tag) in den Finger zu pieksen.
Aber ich weiß, wie es sich für mich als Mutter anfühlt, wenn du dein kleines Kind in den Finger pieksen musst. Es aber noch nicht richtig versteht, warum du ihm ständig weh tun musst. Ich weiß wie es ist, wenn du einfach nur weinen möchtest, weil du deinem Kind unter schreien und weinen einen Katheter für die Insulinpumpe setzen musst.
Ja, ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, wegen der Krankheit ausgeschlossen zu werden. Wenn alle Kinder einen Keks bekommen, dein Kind aber nicht, weil es ja Diabetes hat und sowas in der landläufigen Meinung ja nie mehr essen darf.
Aber ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man abschätzig von anderen angeschaut wird, weil man seinem Kind ja viel zu viele Süßigkeiten gegeben hat und es jetzt an Typ 1 Diabetes leidet. Weil ich als Mutter versagt habe. Ich weiß, wie es sich anfühlt, ständig gegen diese Vorurteile verbal vorzugehen. Und ich kann euch sagen, einer Mutter bricht es immer etwas das Herz, wenn dem Kind so etwas passiert. Wenn man es tröstend in den Armen hält und erklären muss, dass leider viele Mitmenschen sehr viele Vorurteile gegen die Krankheit haben.
Ja, ich weiß nicht … Diese Liste, könnte ich sicherlich noch weiterführen. Es gibt viele Punkte, die ich nicht so erleben und fühlen kann wie meine Tochter in Bezug auf ihre Erkrankung. Doch ich weiß, wie sich der Typ 1 Diabetes meines Kindes auf mein Empfinden und auch auf unser Familienleben auswirkt.
Und somit bleibe ich dabei. Der Diabetes meines Kindes ist auch irgendwie mein Diabetes. Er ist irgendwie der Diabetes der gesamten Familie.
Denn: Erkrankt ein Kind an Diabetes Typ 1 erkrankt auch die Familie an Diabetes Typ 1.
2 Antworten
Echt toll geschrieben! Genau so fühle wir uns.
Hallo,
gut geschrieben und so wahr.
LG
Susanne